Bezirksbeiräte widersprechen dem Umweltminister

Es ist sicher nicht einfach momentan den Fokus auf ein anderes Thema als Corona zu richten – der neuerliche Lockdown (auch wenn er nur „light“ angelegt sein soll) trifft viele Menschen wieder ins Mark. Das Problem: andere, ebenfalls sehr wichtige Themen, treten so unfreiwillig in den Hintergrund. Dagegen wehren sich die BIG und die Initiative „Bürger gegen Kahlschlag“, sie wollen das Thema „Rheindammsanierung“ weiter in der öffentlichen Diskussion halten. Denn sonst fürchtet man vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden.

Kaum zu übersehen jedenfalls war eine Aktion der Initiative „Bürger gegen Kahlschlag im Waldpark. Mit umweltfreundlichem wasserlöslichem Kreidespray schrieben sie Slogans wie „Kahlschlag im Waldpark – Stoppt den Irrsinn“ auf die Wege (Bild). Zeitgleich wurde ein Statement veröffentlicht, in dem verschiedene Punkte angesprochen wurden, beispielsweise , dass es sich bei der Rodung mit der DIN-Norm 19712 um ein „veraltetes Konzept“ handelt. „Baumwissen, Klimawissen und modernere technische Verfahren sind darin nicht enthalten“, erklärt Sprecherin Sabine Jinschek. Und weiter: „Darüber hinaus arbeitet das Regierungspräsidium mit Angstmache“, kritisieren die Bürger. „Laut der Behörde würde Neckarau bei einem Dammbruch innerhalb von neun Stunden vier Meter unter Wasser stehen. Bis heute haben die Planer nicht nachgewiesen, an welcher Stelle oder in welchem Ausmaß der Damm überhaupt brechen könnte.“
Aus diesen Aktionen entwickelte sich unter anderem ein Briefwechsel mit Oberbürgermeister Peter Kurz, in dem auch der Briefverkehr der BIG und der Neckarauer und Lindenhöfer Bezirksbeiräte mit dem Umweltminister Baden-Württembergs, Franz Untersteller, thematisiert wurde. Vor einigen Wochen wurde letzterer in einem offenen Brief kontaktiert (wir berichteten). Darin wurde für die von der BIG vorgeschlagene, baumschonende Möglichkeit der geplanten Dammsanierung geworben und um ein Gespräch gebeten. Die Anwort war allerdings ernüchternd. „Ohne auf die Argumente der Bezirksbeiräte einzugehen, wiederholte er lediglich die vom Regierungspräsidium immer wieder vorgebrachte Position. Ein Gespräch lehnte er mit dem Hinweis ab, die unterschiedlichen Sichtweisen seien bereits ausführlich diskutiert worden“, so heißt es in einer Stellungnahme der BIG. Den kompletten Antwortbrief des Ministers kann man auf der Homepage der BIG einsehen.
Nun haben sich die beiden Bezirksbeiräte erneut mit einem offenen Brief an den Minister gewandt. Sie machen darin abermals klar, dass mit einer durchgängigen, ausreichend dimensionierten Spundwand nicht nur der Baumbestand weitgehend erhalten werden kann, sondern dass eine solche Lösung für die Bewohner der angrenzenden Stadtteile auch deutlich sicherer ist als die vom Regierungspräsidium geplante Sanierungsmaßnahme. Gleichzeitig wird aber auch der Unmut über die enttäuschende Antwort Unterstellers deutlich: „Ihre Ablehnung eines solchen Dialogs irritiert uns sehr. Aus unserer Sicht müssen wir es leider als mangelndes Interesse an den Sorgen der von uns vertretenen Bürgern und als fehlende Wertschätzung unserer ehrenamtlichen Tätigkeit interpretieren“, so heißt es im Brief. „Ihr Argument, die unterschiedlichen Sichtweisen seien bereits ausführlich diskutiert worden, trifft nicht zu. Das zeigen die vielfach nicht stimmigen Erklärungen, mit denen Sie Ihre Auffassung begründen. Die von der Bürger-Interessen-Gemeinschaft Lindenhof (BIG) vorgeschlagene Alternative einer durchgängigen, ausreichend dimensionierten Spundwand entspricht voll den Anforderungen der von Ihnen genannten DIN 19712. Eine derartige ‚Hochwasserschutzwand‘ ist in der DIN explizit vorgesehen. Sie schützt die Bürger deutlich besser als die vom Regierungspräsidium geplante Lösung vor Hochwasser, da sie nicht brechen oder durch Unterspülung beschädigt werden kann. Auch umstürzende Bäume können hier keinen Schaden anrichten. Selbst im Falle einer Überströmung bietet eine Hochwasserschutzwand deutlich mehr Sicherheit: Die Dammkrone eines Erdbau-Damms kann in einem solchen Fall reißen und leistet den Fluten dann keinen Widerstand mehr.“
Zum Ende des Briefes noch ein eindringlicher Apell der Räte: „Sie sind als Minister für Umwelt und Klima zuständig. Kann es wirklich sein, dass für Sie der Verlust von sieben Hektar Wald mit dem Hinweis vertretbar ist, dass ja „der überwiegende Teil der 180 Hektar großen Waldfläche unverändert bleibt“? Sieben Hektar Auenwald – das sind viele Tausend Bäume, die hier vernichtet werden!“
Wie wichtig das Thema den Mannheimer Bürgern ist zeigt auch die Tatsache, dass mittlerweile über 36 000 Menschen die Petition der BIG bei change.org unterschrieben haben. Deshalb ist es enorm wichtig, dass einige dieser Bürger mit ihrem Engagement dafür sorgen, dass das Thema auch in Corona-Zeiten weiter in der öffentlichen Diskussion bleibt.
zg/sabi