Der Papst in Haft auf dem Lindenhof
Italien liegt näher an Mannheim, als man denkt. Nicht nur, weil laut Angaben der Stadt knapp 10000 Menschen mit italienischem Migrationshintergrund in der Quadratesatdt leben, ein Anteil von 7,8 Prozent. Ein Blick in die Geschichte Europas bringt jedoch noch weitere spannende Verbindungen – in die Kurpfalz, aber auch direkt in den heutigen Lindenhof – zum Vorschein. So zum Beispiel, dass sogar schon mal ein Papst zu Besuch auf dem Lindenhof war. Allerdings eher unfreiwillig: Als Gefangener in der ehemaligen Zollburg Eichelsheim (Bild). Eindrücke hierzu gibt es unter anderem auch in der aktuellen Ausstellung „Die Medici“ in den Reiss-Engelhorn-Museen (rem) zu sehen.
Der Gegenpapst, mit bürgerlichem Namen Baldassare Cossa, wurde 1365 in Neapel geboren und 1402 zum Kardinal ernannt. Nach vielen Irrungen und Wirrungen um den Papsttitel – ab 1378 nannten sich noch andere Papst – verschlug es ihn nach Deutschland. Ein Konzil in Konstanz (ab 1414) sollte ihn, so hoffte er, zum künftigen Einheitspapst erheben.
„Die Medici haben Johannes XXIII. dabei unterstützt“, so Dr. Ulrich Nieß, Leiter des Stadtarchivs Mannheim, der bei einer Publikation über den ersten Johannes XXIII. mitwirkte. Die Gründe dafür waren, laut Nieß, wahrscheinlich strategischen Ursprungs: zur Machtsicherung. Doch es lief nicht nach Plan. Cossa floh 1415 als Knappe verkleidet aus Konstanz, wurde jedoch gefasst und im Auftrag von König Sigismund von Kurfürst Ludwig III. von der Pfalz inhaftiert. Zuerst saß er im Heidelberger Schloss, kam 1416 aber dann in die Zollburg Eichelsheim. Erst nachdem Johannes XXIII. seiner Absetzung 1419 zustimmte, wurde er entlassen und kehrte nach Italien zurück, wo ihm die Medici nach seinem Tod im gleichen Jahr ein prachtvolles Grabmal im Baptisterium des Florentiner Doms bescherten. Doch bevor er Mannheim verlassen durfte, musste er noch einige Unkosten „für Kost und Logis“, wie Nieß es ausdrückte, decken. Diese übernahmen ebenfalls die Medici in Person von Banker Giovanni Bicci de’ Medici und dessen Sohn Cosimo.
„Die Burg Eichelsheim hatte eine eigene Kapelle und einen eigenen Priester“, so Nieß. Daher sei es sehr sicher, dass sich der Gegenpapst dort und nicht in der Zollburg Rheinhausen, die damals ebenfalls in Mannheim existierte, befand. So konnte der Häftling seine religiösen Gepflogenheiten auch während der Haft verfolgen. „Das gehörte damals zur Gefangenschaft dazu, dass man ehrenvoll behandelt wurde“, erklärte der Leiter des Stadtarchivs.
Im Lindenhof steckt also spannendes historisches Potenzial, welches vielen nicht so bekannt ist. Vielleicht lohnt es sich ja, bei der nächsten Tasse Espresso einen Blick in die Geschichtsbücher zu werfen. jm