Der Papst in Haft auf dem Lindenhof

Italien liegt näher an Mannheim, als man denkt. Nicht nur, weil laut Angaben der Stadt knapp 10000 Menschen mit italienischem Migrationshintergrund in der Quadratesatdt leben, ein Anteil von 7,8 Prozent. Ein Blick in die Geschichte Europas bringt jedoch noch weitere spannende Verbindungen – in die Kurpfalz, aber auch direkt in den heutigen Lindenhof – zum Vorschein. So zum Beispiel, dass sogar schon mal ein Papst zu Besuch auf dem Lindenhof war. Allerdings eher unfreiwillig: Als Gefangener in der ehemaligen Zollburg Eichelsheim (Bild). Eindrücke hierzu gibt es unter anderem auch in der aktuellen Ausstellung „Die Medici“ in den Reiss-Engelhorn-Museen (rem) zu sehen.

Geschichte wird in der Region lebendig: Bestes Beispiel für eine Verbindung in die Kurpfalz ist – bleibt man bei der berühmtesten Familie der Welt – Anna Maria Luisa de’ Medici. Ihrem 270. Todestag ist es geschuldet, dass die Reiss Engelhorn Museen (rem) die Ausstellung ins Leben gerufen haben. „Sie war die letzte Vertreterin der Hauptlinie der Medici“, erklärte Cornelia Rebholz von den rem. Mit ihrem Tod 1743 endete eine Dynastie, die Jahrhunderte lang nicht nur Italien, sondern ganz Europa einen Stempel aufdrückte.Anna Maria Luisa heiratete 1691 Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz. Inwieweit sie speziell Mannheim besuchte, ist Rebholz nicht bekannt. „Vielleicht war sie mal bei einer Jagd in Schwetzingen dabei“, so die rem-Mitarbeiterin. Das Paar residierte damals in Düsseldorf, da Heidelberg und Mannheim nach dem Pfälzischen Erbfolgekrieg zerstört waren. Anna Maria Luisa galt als schön und humorvoll, als musisch und sprachlich gebildet. Sie kehrte 1716, nach dem Tod ihres Mannes, wieder nach Florenz zurück.Bestimmt nicht so schön wie Anna Maria Luisa war wohl Papst Johannes XXIII., ein so genannter Gegenpapst. Er war auf dem heutigen Gebiet des Lindenhofs, auf der Zollburg Eichelsheim, eine zeitlang inhaftiert und wurde von der mächtigen Familie Medici unterstützt. Nicht zu verwechseln ist er jedoch mit dem Johannes XXIII., der 1958 zum Papst gewählt wurde. Da gab es in der Geschichte einige Merkwürdigkeiten bei der Zählung, weshalb zwei Johannes XXIII. existierten.

Der Gegenpapst, mit bürgerlichem Namen Baldassare Cossa, wurde 1365 in Neapel geboren und 1402 zum Kardinal ernannt. Nach vielen Irrungen und Wirrungen um den Papsttitel – ab 1378 nannten sich noch andere Papst – verschlug es ihn nach Deutschland. Ein Konzil in Konstanz (ab 1414) sollte ihn, so hoffte er, zum künftigen Einheitspapst erheben.

„Die Medici haben Johannes XXIII. dabei unterstützt“, so Dr. Ulrich Nieß, Leiter des Stadtarchivs Mannheim, der bei einer Publikation über den ersten Johannes XXIII. mitwirkte. Die Gründe dafür waren, laut Nieß, wahrscheinlich strategischen Ursprungs: zur Machtsicherung. Doch es lief nicht nach Plan. Cossa floh 1415 als Knappe verkleidet aus Konstanz, wurde jedoch gefasst und im Auftrag von König Sigismund von Kurfürst Ludwig III. von der Pfalz inhaftiert. Zuerst saß er im Heidelberger Schloss, kam 1416 aber dann in die Zollburg Eichelsheim. Erst nachdem Johannes XXIII. seiner Absetzung 1419 zustimmte, wurde er entlassen und kehrte nach Italien zurück, wo ihm die Medici nach seinem Tod im gleichen Jahr ein prachtvolles Grabmal im Baptisterium des Florentiner Doms bescherten. Doch bevor er Mannheim verlassen durfte, musste er noch einige Unkosten „für Kost und Logis“, wie Nieß es ausdrückte, decken. Diese übernahmen ebenfalls die Medici in Person von Banker Giovanni Bicci de’ Medici und dessen Sohn Cosimo.

„Die Burg Eichelsheim hatte eine eigene Kapelle und einen eigenen Priester“, so Nieß. Daher sei es sehr sicher, dass sich der Gegenpapst dort und nicht in der Zollburg Rheinhausen, die damals ebenfalls in Mannheim existierte, befand. So konnte der Häftling seine religiösen Gepflogenheiten auch während der Haft verfolgen. „Das gehörte damals zur Gefangenschaft dazu, dass man ehrenvoll behandelt wurde“, erklärte der Leiter des Stadtarchivs.

Im Lindenhof steckt also spannendes historisches Potenzial, welches vielen nicht so bekannt ist. Vielleicht lohnt es sich ja, bei der nächsten Tasse Espresso einen Blick in die Geschichtsbücher zu werfen.             jm