Explosion: Vertrauen zur BASF „in Teilen erschüttert“

Vier Menschen kamen durch die schwere Explosion im Landeshafen Nord ums Leben, einige von gut 30 Verletzten kämpfen immer noch ihr Leben. Erste Ermittlungsergebnisse deuten auf einen Fehler bei Wartungsarbeiten hin. Dennoch bleiben viele Fragen offen.  Das Vertrauen in den Chemieriesen ist „in Teilen erschüttert“, so Feuerwehrdezernent Dieter Feid, eine „lückenlose Aufklärung“ sei notwendig. Eine Sondersitzung des Stadtrats soll Klarheit bringen.

Geklärt scheint inzwischen zumindest die Unglücksursache: Die Staatsanwaltschaft Frankenthal und das Polizeipräsidium Rheinpfalz berichteten in einer gemeinsamen Pressemitteilung am Unfallort einen Einschnitt an einer Rohrleitung mit brennbaren Stoffen entdeckt zu haben. Die Ermittler vermuten, dass der Schnitt durch eine Trennscheibe verursacht wurde. An einer benachbarten Leitung seien zum Zeitpunkt der Explosion Wartungsarbeiten durchgeführt worden, bei denen ein Winkelschleifer zum Einsatz gekommen sei.

Der mutmaßliche Verursacher des Einschnitts, ein Mitarbeiter einer Fremdarbeitsfirma, liegt nach Angaben des leitenden Oberstaatsanwalts Hubert Ströber noch im Krankenhaus. Er sei wegen seiner schweren Verletzungen momentan nicht vernehmungsfähig. Die Ermittlungen konzentrieren sich laut Staatsanwaltschaft jetzt auf den konkreten Ablauf der Wartungsarbeiten und die damit verbundenen Sicherheitsvorkehrungen. Um die Zusammenhänge zwischen dem Schnitt in der Rohrleitung und der Explosion zu klären, seien aber weitere umfangreiche Untersuchungen nötig. Während der Arbeiten an einer Rohrleitung war am 17. Oktober zunächst ein Feuer ausgebrochen, später brennbare Flüssigkeiten explodiert. Zwei Mitarbeiter der Werksfeuerwehr und der Matrose eines Tankschiffes waren sofort getötet worden, ein weiterer Feuerwehrmann starb inzwischen im Krankenhaus.

Dass die Arbeit im Landeshafen Nord nicht ungefährlich ist, ist kein Geheimnis. Insider berichten von Totmann-Schaltungen, die alle paar Minuten gedrückt werden müssen, damit die Werksfeuerwehr nicht anrückt. Grund sind nicht nur die Rohrleitungen, die dort verlaufen, sondern auch gefährliche Ladungen, die dort gelöscht werden. „Die wollten wir bewusst von der Wohnbebauung fernhalten“, verwies eine BASF-Sprecherin auf Anfrage von Friesenheim aktuell auf die Entstehungsgeschichte des Landeshafens Nord. Deshalb sei die Gefahrenlage dort auch eine andere als etwa in der Nachbarschaft von Friesenheim und dem Hemshof. Das Unglück hätte schlimmere Folgen haben können. So hätten wegen des niedrigen Wasserstands Schiffe weiter weg ankern müssen, bestätigte Ludwigshafens Feuerwehr-Chef Peter Friedrich. Das Tankschiff an der Unglückstelle wurde per Löschboot gekühlt.

Günstig sei auch die Wetterlage gewesen. Die Thermik habe für einen Sog in höhere Luftschichten gesorgt; so sei die Russwolke in Richtung Odenwald getragen und verdünnt worden. Bei Regen wäre sie im Umfeld ausgespült worden, und auch für den Schaumteppich am Unglücksort  wäre nasse Witterung schlecht gewesen.

Eine Gefahr für die Bevölkerung habe nicht bestanden, betonten BASF und Stadt in den Tagen nach dem Unglück immer wieder. Das hätten auch die Messdaten bestätigt, die inzwischen sogar im Internet veröffentlicht wurden. Dennoch hatten Anwohner über Geruchsbelästigungen geklagt und Reizungen der Atemwege gemeldet. Vorsorglich wurde empfohlen, Fenster und Türen geschlossen zu halten und sich nicht längere Zeit im Freien aufzuhalten.

Insgesamt 1400 Anrufe registrierte die BASF nach eigenen Angaben auf dem zum Unglück geschalteten Bürgertelefon; auch die Zahl der Downloads einschlägiger Katastrophenwarnsysteme für Smartphones ist sprunghaft angestiegen – laut Dieter Feid auf bis zu 1200 pro Tag. Das zeugt davon, dass  das Sicherheitsempfinden der Bürger zumindest stark gelitten hat.

Ende September kündigte die BASF an, die Acetylen-Anlage im Werk bis 2019 ersetzen zu wollen. Mit dem „leicht entzündlichen und hoch reaktiven Gas“ wird unter hohem Druck gearbeitet. Diese Nachricht hat damals kaum jemanden interessiert. Seit der Explosion wird wieder verstärkt über das Thema Sicherheit diskutiert. Allein in diesem Jahr hat es bereits 16 Störfälle auf dem größten zusammenhängenden Chemieareal der Welt gegeben – mehr als in den Vorjahren. Diese vergleichsweise hohe Zahl begründete Werksleiter Uwe Liebelt damit, dass erst kürzlich viele neue Anlagen errichtet worden seien. Gerade beim Wiederanfahren sei dann nicht alles reibungslos verlaufen.

Eine Gefahr für Friesenheim und den Hemshof bestehe aber nicht. Ein Chemie-Sachverständiger erklärte dazu, dass die BASF vor allem mit feuergefährlichen Stoffen arbeite. Im Schadensfall würden diese „explosionsartig und rückstandslos“ verbrennen, wie beim Unglück im Landeshafen bei Temperaturen um die 1400 Grad. Der Schaden sei zwar verheerend, aber lokal begrenzt. Die Wohnbebauung jedenfalls sei weit genug weg. Weit gefährlicher sei dagegen der Umgang mit hochgiftigen Chemikalien, die im Schadensfall weit größere Gebiete betreffen und Menschen gefährden könnten. Davon werde man hier verschont bleiben.

Vielfach kritisiert wurde die Informationspolitik im Zusammenhang mit dem Unglück, auch von Seiten von Unweltverbänden. Zu lange sei etwa unklar geblieben, welche Stoffe dort eigentlich brannten. Anwohner und selbst BASF-Mitarbeiter erfuhren mehr über die Medien und soziale Netzwerke als vom Unternehmen selbst. Ein Info-Schreiben für Anwohner ist erst vor wenigen Tagen verteilt worden. Immerhin: Friesenheims Ortsvorsteher Günther Henkel berichtete, jederzeit über den aktuellen Sachstand informiert worden zu sein, ebenso wie sein Oppauer Kollege Udo Scheuermann. Explizit gewarnt wurden zudem Kindertagesstätten, nicht aber Sportvereine. Hier bestehe noch Verbesserungspotenzial, so Henkel.

BASF-Vorstandschef Kurt Bock hatte sich tagelang überhaupt nicht geäußert. Inzwischen kündigte er in einer Sonderausgabe der Werkszeitung eine Überprüfung der Sicherheitsmaßnahmen und weitere Investitionen dafür an. BASF-Mitarbeiter und Mitglieder des Vorstandes gedachten bei einer internen Feier der Opfer des Unglücks, eine öffentliche Gedenkfeier fand inzwischen in der Kirche St. Martin in Oppau statt.

Oberbürgermeisterin Dr. Eva Lohse, die zum Zeitpunkt des Unglücks als Vorsitzende des Städtetages in Ecuador war, hatte unmittelbar nach ihrer Rückkehr eine Sondersitzung einberufen. Unangenehme Fragen sollten dabei erörtert werden. Mit Kritik über Gebühr ist aber wohl kaum zu rechnen. Immerhin kontrolliert nicht die Stadt die BASF, sondern Landesbehörden wie die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) in Neustadt sowie der TÜV. Und die BASF ist nach wie vor größter Arbeitgeber vor Ort.          hbg