Ist das „Wohl der Kinder“ in Gefahr?
Die Eltern sind verzweifelt, die Erzieherinnen am Ende ihrer Kräfte. Seit rund eineinhalb Jahren ist das erste Obergeschoss des Kindergartens St. Josef in der Bellenstraße geschlossen (wir berichteten). Alle Kinder, die vorher auf zwei Stockwerke verteilt waren, verbringen seitdem ihren Tag gemeinsam auf einer Ebene. Es ist voll. Es ist laut. Und die Frage liegt nahe: Ist so pädagogisches Arbeiten noch möglich? Der Elternbeirat hingegen fragt sich: Wie lange soll das noch so gehen?
Der Grund, warum das erste Obergeschoss Anfang November 2015 geschlossen werden musste, ist verständlich: fehlender oder unzureichender Brandschutz. Konkret hieß es damals: Es müssen unter anderem Feuerwände eingezogen und eine Feuertreppe als zweiter Fluchtweg aufgebaut werden. Eineinhalb Jahre später hat sich diesbezüglich zwar schon etwas getan – doch das erste Obergeschoss darf nach wie vor nicht genutzt werden.
„Wie kann das sein?“, fragt sich nicht nur Martina Schweneke vom Elternbeirat. Auch andere Eltern, deren Kinder den St.-Josef-Kindergarten besuchen, sind rat- oder fassungslos. „Geht es hier wirklich noch um das Wohl der Kinder?“, formuliert der Elternbeirat gegenüber Lindenhof aktuell die Frage, die sich wohl viele stellen. Zudem berichtet der Beirat von weiteren Zuständen, die so in einem Kindergarten nicht bestehen sollten. „44 Kinder teilen sich die zwei vorhandenen Toiletten“, heißt es zum Beispiel seitens des Elternbeirats. Doch oftmals seien diese verstopft, die Erzieherinnen müssten neben ihrer eigentlichen Arbeit die sanitären Einrichtungen reinigen, und die Kinder müssten teilweise ihr Geschäft „einhalten“, bis die Toiletten wieder frei sind. Erschwerend komme hinzu, so Schweneke, dass die Erzieherinnen stressbedingt häufiger krank seien, Notfallpläne zum Einsatz kämen und viele Eltern ihre Kleinen gar zuhause ließen, da Erziehermangel herrsche. Durch den Einsatz von so genannten Springern, die fehlende Erziehrinnen kurzzeitig ersetzen, sehen sich die Kinder immer wieder wechselnden Ansprechpersonen gegenüber.
Nach etlichen Verzögerungen sind diverse Maßnahmen zwar umgesetzt worden. Feuerwände und -türen sind nun beispielsweise vorhanden. Selbst ein Feuerturm, der eigentlich für den 31. März versprochen war, steht seit dem 21. April im Hof des Kindergartens. Doch genutzt werden kann er nicht, denn es fehlt bislang der Durchbruch, um ihn vom ersten Obergeschoss im Brandfall betreten zu können. „Die Bauarbeiten stagnieren schon wieder“, sagt Andrea Pirk vom Elternbeirat verzweifelt. Informationen über das Baugeschehen und die weiteren Pläne gebe es vom Stiftungsrat, der das Ganze regeln sollte, kaum bis gar nicht. Und weitere Probleme kommen hinzu: Seit kurzem dürfen die Küchenfenster des Kindergartens nicht mehr geöffnet werden. Den Grund dafür kennt Pfarrer Martin Wetzel, Stiftungsratsvorsitzender und Leiter der Seelsorgeeinheit Mannheim Südwest: „Da die neue Brandschutztreppe an der Küche vorbeiführt, müssen die Fenster feuersicher sein. Sie dürfen bei einer Flucht über den Feuerturm nicht zerspringen.“ Die Fenster müssten daher Brandschutzglas oder einen Brandschutzvorhang erhalten, für eine Entlüftung sei zu sorgen. Wieder geht also Zeit verloren. Beim Elternbeirat herrscht indes Kopfschütteln. „Das sind doch sicherlich keine neuen Erkenntnisse. Das hätte doch damals bei der Brandschutzbegehung auffallen müssen. Warum wurde nicht schon früher gehandelt?“, so Schweneke.
„Natürlich würden wir gerne das erste OG schnell wieder nutzen“, sagt Pfarrer Wetzel auf Anfrage. Zur Toilettensituation sagt er gegenüber Lindenhof aktuell lediglich: „Das kann ich so nicht bestätigen.“ Die Nutzung im jetzigen Erdgeschoss sei von der Fläche und der Zahl der Toiletten durchaus im Rahmen der Betriebserlaubnis. Das „Toilettenproblem“ sei nach Wetzels Information ein Problem, das die Erzieherinnen im Griff hätten, fügt er hinzu. Warum bislang kein Durchbruch zum Feuerturm gemacht wurde, begründet der Stiftungsratvorsitzende wie folgt: „Die Planungen und die Durchführung brauchen ihre Zeit. Der Architekt ist dran.“ Die Verzögerung liegt laut Wetzel nicht an der Finanzierung. „Die ist gesichert“, sagt er.
Auch einen schlechten Informationsfluss will der Pfarrer nicht bestätigen. „Ich war vor kurzem im Elternbeirat. Und wir sind ständig mit der Kindergartenleitung im Gespräch. Es gibt die Kindergartengeschäftsführung der Gemeinde, die ständig im Gespräch ist. Es ist es also nicht der Fall, dass da überhaupt keine Informationen fließen“, so Wetzel. Dennoch rufen die ständigen Verzögerungen bei den Eltern Zweifel hervor, ob das Wohl ihrer Kinder wirklich noch im Vordergrund steht. Neue Termine zur Fertigstellung nennt der Pfarrer nicht mehr: „So schnell wie es irgendwie geht“, sagt er nur und fügt hinzu, dass der Stiftungsrat kein Interesse daran habe, das Ganze zu verzögern.
Doch „so schnell wie möglich“ hieß es auch schon vor eineinhalb Jahren, als ein vor allem für Kinder und Erzieherinnen schwerer Weg begann. Und ein Ende ist offensichtlich nicht in Sicht. Es könnte für den Kindergarten sogar noch prekärer werden. Denn auch die Personalplanung für nächstes Jahr sei noch nicht in trockenen Tüchern, wie der Elternbeirat mitteilt. Eine Erzieherin falle für unbestimmte Zeit aus, und einen Ersatz gebe es seinen Informationen nach noch nicht. Was für die Eltern bleibt, ist die Hoffnung, dass alles bald ein gutes Ende nimmt und dass die Erzieherinnen durchhalten und sich für die Kinder engagieren. Denn das Wohl der Kleinen ist es doch, das es eigentlich ohne zu zögern zu schützen gilt. jm