„Situation ist nicht mehr tragbar“

Kita-Plätze in Mannheim – ein sehr strapaziertes Thema mittlerweile. Auf dem Lindenhof sowieso schon seit Jahren. Zugespitzt hat es sich nun noch als bekannt wurde, dass die evangelische Kirche zwei Kitas in der Mönchwörthstraße und in der Schwarzwaldstraße schließen wird. Was im ersten Moment natürlich Fassungslosigkeit hervorruft, angesichts der sowieso schon angespannten Situation im Stadtteil. Ende März lud Pfarrerin Susanne Komorowski zu einem „Runden Tisch“ zu eben diesem Thema in das Johannis-Pfarrhaus ein. Ein Vor-Ort-Termin, der vor allem eines zeigte: Das Problem Kinderbetreuung ist vielschichtig und komplex, viele Seiten müssen hier beleuchtet werden, wurden aber zum Teil lange nicht in der Öffentlichkeit berücksichtigt. Allem voran die Situation der Erzieherinnen und Erzieher, die mittlerweile an ihrem Limit angekommen sind. 

Wie schon im Vorspann erwähnt: Das Problem ist vielschichtig. Weil es auf vielen Ebenen Probleme gibt. Und da diese Ebenen direkt miteinander verwoben sind, scheint es zu einem Domino-Effekt zu kommen – die Situationen werden auf allen Ebenen immer schlechter. 

Der Termin in der Johanniskirche sollte die Probleme aufzeigen, aber auch Lösungsansätze  bieten. „Auch wenn wir sagen ‚das geht nicht‘ aus irgendwelchen Gründen, sollten wir die Wege zumindest ausprobieren“, so Pfarrerin Komorowski. 

Problem Überlastung

Vor allem Erzieherinnen aus den verschiedensten Einrichtungen im Umkreis fanden an diesem Abend den Weg ins Gemeindehaus. Als bei der Vorstellungsrunde die Frage nach den Beweggründen für das Kommen gestellt wurde, hörte man fast durchweg dieselbe Antwort: „Wir bringen unsere Sorgen mit, unsere Situation ist nicht mehr tragbar“. 

Die Belastung werde einfach zu groß. Es fehlt vor allem ausgebildetes Personal. Die Pandemie habe zudem die Situation verschärft. „Wir sind manchmal nur zu viert, obwohl wir acht sein sollten, weil Kolleginnen krank oder in Quarantäne sind.“, so eine Erzieherin. Ersatz gibt es dann nicht. 

Zeitweise wurde von Seiten der Stadt auch ungelerntes Personal zur Unterstützung bezahlt, „da gab es ein Budget bei der Stadt. Doch das wurde auch gestrichen“. Eine Unterstützung waren die Hilfskräfte schon, aber nicht gleichzusetzen mit einer ausgebildeten Erzieherin. „Sie haben schon geholfen, durften aber auch vieles nicht machen – so die Vorschrift. Auf dem Papier waren sie aber mit uns gleichgesetzt“. Heißt letztendlich: Noch mehr Arbeit für die ausgebildeten Kräfte, weil der Schlüssel, wieviele Betreuer wieviele Kinder haben, sich auf dem Papier nach oben änderte.

Hinzu kommt die fehlende Präsenz in der Öffentlichkeit, die Erzieherinnen haben. „Wenn man die Zeitungen durchschaut, dann liest man fast nur über die Probleme der Eltern. Deren Sorgen und Not verstehen wir natürlich auch, aber wir sind auch in der Not“, so eine andere Erzieherin. Die Eltern haben viel Grund zum Frust, aber dieser wird oft auch bei den Erzieherinnen abgeladen. „Machmal herrscht immer noch das Bild, dass wir nur Kaffee trinken und spielen. Das frustriert auch, man kommt sich teilweise wie eine Aufbewahrungsstelle vor“. Der Beruf sei toll, aber mehr Wertschätzung könnte die Frustration zumindest ein wenig senken.

Problem Kita-Plätze

Die Not der Eltern sind eine andere Ebene. Kita-Plätze gibt es kaum, nun werden zwei Einrichtungen im Almenhof und im Lindenhof geschlossen, was die Situation jetzt noch verschärft. Es hat sich in den letzten Jahren viel getan beim Elternengagement, die diese Situationen auch nicht mehr hinnehmen wollten. Doch oft versandet der Protest der Erziehungsberechtigten nach einer gewissen Zeit. „Wenn die Kinder dann nach drei Jahren nicht mehr in der Kita sind, dann ziehen sich auch die Eltern zurück und das Engagement ist weg“, so Ulrich Holl, Vorsitzender der BIG Lindenhof. Ein nachhaltiger Elternprotest ist so natürlich schwierig. Erzieherinnen erfahren oft am eigenem Leib, unter welchem Druck Eltern stehen. „Kinder werden auch mal krank zu uns gebracht, weil es einfach nicht anders geht“, so eine Erzieherin, „das kann natürlich auch wieder zu einem Problem für uns werden“. 

Problem 

Personalmangel

Auch anwesend an diesem Abend war Steffen Jooß, Verwaltungsdirektor der evangelichen Kirche Mannheim. Er berichtete aus Sicht des Trägers über die Situation und erklärte die beiden Kita-Schließungen in der Mönchwörth- und Schwarzwaldstraße. „Wir haben akuten Personalmangel, wir haben momentan 58 offene Stellen. Und die Situation wird auch nicht besser“, so Jooß. Der Trend könne nicht gestoppt werden, da gebe es Versäumnisse in der Vergangenheit. „Mittlerweile haben wir Gruppen mit 20 Kindern für eine Erzieherin, das ist die Obergrenze für uns, mehr können wir unserem Personal nicht zumuten.“ Hinzu kommen die finanziellen Einbußen durch Corona – insgesamt 1,2 Millionen Euro Verlust steht nach zwei Jahren unter dem Strich. „Wir sind eine gemeinnützige Einrichtung und machen keine Gewinne. Wie sollen wir denn die Schulden abbezahlen?“. Die Stadt Mannheim springt jedenfalls nicht ein. „Trotzdem werden wir weiter Aktionen und Kurse für unsere Mitarbeiter anbieten, damit sich die Situation vielleicht ein wenig verbessert“. 

Lösungsansätze

Das waren jetzt nur drei Ebenen des Problems, Dinge wie beispielsweise die Qualität der Einrichtungen und der Betreuung („Immer wenn es eng wird, setzt man die Standards runter“) oder Regelung zur Ausbildung kommen da noch hinzu, sind aber auch ein Teil der Vielschichtigkeit. 

Zum Ende des Abends wurde dann aber nach Lösungsansätzen gesucht – und hier gab es einige sehr interessante Ansätze. Nur einige Beispiele: Die drei Jahre Ausbildung zur Erzieherin oder zum Erzieher müssen die Lehrlinge selbst bezahlen, es gibt keinen Lohn. Dies könnte man ändern. Auch die Hürden zur Ausbildung könnten gesenkt werden, momentan braucht man Abitur oder eine bereits abgeschlossene andere Ausbildung. Das Personal sollte losgelöst von der Konfessionszugehörigkeit eingestellt werden. Und: behördliche Genehmigungsprozesse sollen einfacher werden. Schließlich wurden vier Gruppen gebildet, die sich nun mit den Ansätzen auseinandersetzen werden. Die Ergebnisse sollen dann bei einem nächsten „Runden Tisch“ erörtert werden.   sabi