Sitzung des Bezirksbeirats: Ist ein Mobilitätskonzept sinnlos?
Das Ziel, das der Bezirksbeirat Lindenhof mit seinem Antrag verfolgte, ist einleuchtend. Die Antwort, die er in der vergangenen öffentlichen Sitzung vonseiten der Stadtverwaltung bekam, war einerseits zu erwarten, andererseits aber auch sichtlich enttäuschend. Und sie war die beste Grundlage für eine rege Diskussionsrunde, an der sich neben den Bezirksbeiräten auch die Bürger gerne beteiligten.
Aber von vorne: Der Bezirksbeirat hatte einen Antrag mit dem Betreff „Verkehr auf dem Lindenhof mit dem Ziel eines Verkehrskonzepts“ gestellt. Fernab von verkehrspolitischen Einzelentscheidungen sollte das Konzept sein. Ein Gesamtkonzept sei sinnvoll, das als Grundlage für weitere, den Verkehr betreffende Entscheidungen dienen sollte. Der Bezirksbeirat stellte der Verwaltung Fragen, um zu erfahren, wie sich der Verkehr in Zukunft entwickeln könnte. Zum Beispiel: Wie viele Personen pendeln täglich in den Lindenhof und wie – mit dem Auto, zu Fuß oder dem Rad? Wie wird sich das in den nächsten Jahren entwickeln?
Die Gründe dafür sind nahe liegend. Der Lindenhof verändert sich ziemlich schnell und gewaltig. Dafür sorgt hauptsächlich der Bau des Glückstein-Quartiers. Neue Gebäude, neue Straßen, die Verlegung der Südtangente, viele Menschen werden in Zukunft zusätzlich kommen und gehen, im Lindenhof arbeiten oder wohnen. Es könnte also eng werden in den Straßen des Stadtteils hinterm Bahnhof.
Ulrike Kleemann vom Fachbereich Stadtplanung legte die angeforderten Prognosen, Berechnungen und Schaubilder vor. Und sie sorgte für die ersten enttäuschten Blicke. „Es wird keine gravierenden Folgen durch den Bau des Glückstein-Quartiers geben“, so Kleemann mit Blick auf Untersuchung und Prognose. Es werde unter anderem erwartet, dass die Südtangente verstärkt genutzt wird. Voraussichtlich nehme der Verkehr in der Landteil- und der Gontardstraße ein wenig zu. Windeck- und Lindenhofstraße hingegen erfahren laut der Prognose eine Entlastung. Fazit der Verwaltung: „Für ein Mobilitätskonzept für den Lindenhof ist es aus unserer Sicht nicht der richtige Zeitpunkt.“ Abwarten, bis das Glückstein-Quartier steht, so lautet deren Rat. „Ich finde es verblüffend, dass das Glückstein-Quartier gebaut wird, aber parallel zur Bauphase kein Verkehrskonzept entsteht“, brachte daraufhin Bezirksbeirat Wolf Engelen (FDP) an.
Die Diskussion bekam allerdings recht schnell eine andere Richtung. Dr. Ingeborg Dörr (CDU) wurde konkret, und zählte verkehrstechnische Dauerprobleme im Lindenhof auf – wohl wissend, dass diese nicht direkt mit dem Bau des neuen Quartiers zusammenhängen. Sie sprach nicht nur die Parksituation rund um das Diakonissenkrankenhaus und die benachbarte neue Kindertagesstätte Belchenstraße an, sondern auch das Stephanienufer und die Rheinaustraße. „Dort kommen die Fahrzeuge nicht aneinander vorbei.“ Letztendlich forderte nicht nur die Christdemokratin von der Verwaltung, sich bald um die Anliegen zu kümmern, nicht erst, wenn das Glückstein-Quartier fertig sei. „Ich will nicht bis 2025 warten“, sagte sie.
Abwarten schlug Kleemann auch bezüglich der Parksituation im Lindenhof vor, die vielen Anwohnern unter den Nägeln brennt. Diese könnte sich durch den geplanten Parkhausbau verbessern, sagte sie. Doch die anwesenden Bürger bekundeten ihre Skepsis, dass das neue Parkhaus Entlastung schaffe. Besonders, weil etliche Erholungssuchende, die beispielsweise im Waldpark spazieren gehen wollen, ihre Fahrzeuge dort nicht abstellen würden, sondern weiterhin im Wohngebiet nahe des Rheins. Ingeborg Dörr forderte ein Parkkonzept.
Anwohner der Rennershofstraße nutzten ebenfalls die Gelegenheit, ihrem Frust bei der öffentlichen Sitzung Luft zu machen. Sie beklagten vor allem den Reisebusverkehr. Die Brummer bringen und holen einerseits Jugendherbergsgäste, andererseits transportieren sie die Ausflügler der Flusskreuzfahrtschiffe, die am Rhein Halt machen und nutzen dazu die Rennershofstraße. Die Busse würden oftmals mit laufendem Motor Parken und hätten große Probleme, sich durch die Windungen der Rennershofstraße nahe des Rheins zu quetschen, erzählten die Anwohner. Der Gestank der Abgase, Lärm und das ständige Dirigieren der Busfahrer schlägt den Bewohnern dort auf den Magen. Marcus Butz (SPD) griff das Anliegen auf und erbat von der Verwaltung eine Lösung. Ihm sei dabei aber auch wichtig, dass der Rhein als Ausflugsziel nicht verloren geht.
Mit vielen Anregungen, Forderungen und Bitten ausgestattet, übergab Ulrike Kleemann das Ruder an ihren Kollegen, den Stadtplaner Johanno Hagstedt. Er bemühte sich um das Thema Fahrradständer auf dem Lindenhof, präsentierte die aktuellen Standorte der Fahrradbügel und berichtete von 19 weiteren auf dem Lindenhof, die in Planung sind. Diese würden rund 90 zusätzliche Fahrradstellplätze schaffen. Dem Bezirksbeirat war es dabei wichtig, dass der Abstand der Bügel zueinander mindestens 1,5 Meter beträgt, das es sonst Platzprobleme beim Abstellen gibt.
Unter dem Sitzungspunkt „Verschiedenes“ griff Wolf Engelen den Anschluss des so genannten Schlauchs im Waldpark auf, von dem einerseits die Tier- und Pflanzenwelt profitieren würde, andererseits auch die Waldparkbesucher. Der Ausschuss für Technik und Umwelt hat erst vor kurzem beschlossen, den Graben wieder an den Rhein anzubinden.
Unter anderem setzte sich die Bürger-Interessen-Gemeinschaft Lindenhof (BIG) dafür schon seit über 20 Jahren ein. Engelen begrüßte den Entschluss zur Öffnung, gab aber zu bedenken, dass es viel zu lange gedauert habe. Er kritisierte zudem, dass die Stadt Mannheim letztendlich „fast keinen Cent“ für die Anbindung in die Hand nehme, sondern die Finanzierung Stiftungen und Spendern überließ. „Man sollte meinen, dass Umweltschutz und nachhaltige Erhaltung der Natur heute einen anderen Stellenwert haben“, so Engelen in seiner Stellungnahme. Er fragte sich: „Werden Objekte wie zum Beispiel die Sanierung des Meeräckerplatzes ähnliche Jahrzehnte benötigen, um endlich realisiert zu werden? Das ist ein Armutszeugnis politischen Handelns.“ jm