„Ich werde mit Argusaugen beobachten“
Eine Ära geht im Stadtteil zu Ende: Wolf Engelen, Gründungsmitglied und seither Vorstandmitglied der Bürger-Interessengemeinschaft Lindenhof (BIG) tritt im Oktober von seinem Amt im Verein endgültig zurück. Eigentlich wollte er diesen Schritt erst Anfang nächsten Jahres wagen, als im August jedoch der gesamte Vorstand der BIG seinen Rücktritt verkündete, schob er sein Vorhaben acht Wochen nach vorne. Mit Lindenhof aktuell sprach er nun über die Vergangenheit, die Arbeit der BIG und seine zukünftige Freizeitgestaltung.
Trotzdem hatten Sie viel zu tun. Wie zeitintensiv war Ihre Arbeit bei der BIG?
Engelen: Das muss man auch in zwei Perioden aufteilen. Einmal 23 Jahre BIG-Kassenwart, dazu kam in den letzten zwölf Jahren die Verwaltung der Lanz-Kapelle nach ihrem Wiederaufbau. Das bedeutet: Im vergangenen Jahr 160 Termine, davon sind etwa 50 laufende Verträge. Beim Rest, also bei etwa 110 Terminen, müssen Verträge abgeschlossen werden, der Schlüssel muss übergeben und zurückgenommen werden, das bedeutet an drei unterschiedlichen Tagen vor Ort sein zu müssen. 110 Termine mal drei – da schrumpft der Jahresurlaub auf gerade mal zehn Tage. Da kann man sich vorstellen, dass die Familie oft nicht damit einverstanden war. Das ist also eine sehr zeitintensive Arbeit, die man nicht unterschätzen darf und ich wünsche dem neuen Vorstand hier eine glückliche Hand bei der Neubesetzung.
Was sind denn die Beweggründe für Ihren Rücktritt?
Engelen: Vor kurzem trat ja der komplette Vorstand zurück. Die Beweggründe der anderen Mitglieder sind mir nicht bekannt. Ich habe mich aber nun angeschlossen, weil ich im Januar 2015 dieses Amt auch zur Verfügung stellen wollte. Dass das jetzt acht Wochen früher ist, ist auch kein Unglück.
Und die Beweggründe für den Rücktritt im Januar?
Engelen: Wie schon gesagt – vor allem mehr Freiraum für Familie und Hobbys. Die habe ich nun.
Sie haben aber schon angekündigt, dass Sie sich weiterhin für den Stadtteil engagieren …
Engelen: … ja klar, ich habe hier meine Wurzeln und meine Liebe zum Lindenhof bleibt natürlich. Die Stadteilgeschichte ist ein ganz starker Punkt, mit dem ich mich weiter beschäftigen werde. Und die Geschichte hört ja nicht auf und entwickelt sich weiter. Mit dem Neubau des Glückstein-Quartiers wird sie momentan eindrucksvoll und wunderbar weitergeschrieben. Und das muss ja dokumentiert werden. Es sind zur Zeit zwei neue Bücher von mir in Planung.
Mit der Lanz-Kapelle ist ihr Name eng verbunden. Wird es in Zukunft für Sie weiterhin einen Bezug zu ihr geben?
Engelen: Es wird immer einen Bezug geben. Den Bezug kann ich nicht kappen …
… müssen Sie den Schlüssel abgeben?
Engelen: … natürlich. Ich werde in dem Bereich, in dem ich für den Verein noch tätig bin, in Zukunft natürlich nicht mehr tätig sein. Dieses Problem zu lösen ist Aufgabe des neuen Vorstandes. Aber ich werde weiterhin mit Argusaugen beobachten, dass die Lanz-Kapelle nicht „verlottert“ und ich werde auch sehr aufmerksam sein, dass die BIG finanziell nicht an die Wand gefahren wird. Ich bin ja nach wie vor Mitglied der BIG, und somit gibt es auch Möglichkeiten auf solche Dinge Einfluss zu nehmen.
Wenn Sie an die Zeit in der BIG zurückdenken, was waren die schönsten und was waren die schwersten Momente in der Historie des Vereins?
Engelen: Es gab viele schöne Momente, jeder Kontakt war eine Bereicherung. Aber der schönste Moment war sicherlich, als die Lanz-Kapelle damals fertig gestellt war. Diese Kapelle ist mit Blut, Schweiß und Tränen der Bürger des Lindenhofs so hergestellt worden, dass es heute ein sehr gefragtes Begegnungszentrum im Mannheimer Süden geworden ist. Es ist verständlich, dass mich das natürlich mit viel Stolz erfüllt. Enttäuschungen gab es auch immer wieder, aber Enttäuschungen haben uns nie aus der Bahn geworfen und daran gehindert, die BIG weiter zu entwickeln. Beispielsweise als das Land Baden-Württemberg mit einem falschen Gutachten nachweisen wollte, dass das Krankenhaus und die Lanz-Kapelle abgerissen werden konnte. So etwas hat uns auch noch in unserem Vorhaben eher gestärkt.
Man kennt Sie als einen engagierten und stringenten Herrn. Gibt es denn eine Seite, die eher unbekannt ist? Und die jetzt mit mehr Zeit ein wenig mehr gepflegt wird?
Engelen: Ich fahre sehr gerne Motorrad, der Standort Mannheim ist natürlich mit der direkten Nähe zu Odenwald, Taunus, Pfalz oder Kraichgau das ideale Gebiet um dieses Hobby wirklich zu leben. Dieses Hobby lebe ich seit 56 Jahren, Sommer wie Winter. Das ist etwas, was mich unheimlich befreit, wenn die Lasten des Alltags zu stark wurden. Dafür ist nun mehr Zeit. Mehr Freizeit zu haben mit der Familie, um beispielsweise mal für eine längere Zeit andere Länder zu besuchen, darauf freue ich mich aber auch.
Der Rücktritt und Abgang kam ja trotz allem ein wenig abrupt. Haben Sie sich das so vorgestellt?
Engelen: Im Laufe der Geschichte der BIG hat es ja schon einige Rücktritte gegeben. Und das Leben ist nicht immer so, wie man es sich vorstellt. Aber wenn es etwas anders läuft, muss das auch kein Unglück sein. Im Gegenteil: Wenn eine Tür zu geht, dann geht eine andere auf. Diese Erfahrung habe ich gemacht in meinem Leben, und das ist auch eine gute Erfahrung.
Wie sehen Sie den Weg der BIG in Zukunft?
Engelen: Ich denke die BIG hat weiterhin hier eine große Aufgabe. Wesentlich wird sein, dass trotz der neuen Akzente die Liquidität des Vereins sichergestellt sein wird. Denn nur mit diesen Mitteln kann eine starke, gemeinnützige Arbeit gemacht werden. Wenn die Menschen guten Willens sind, dann wird das auch klappen. Die ältere Generation wird natürlich weiterhin mit Rat und Tat gerne zur Seite stehen.
Interview: Alexander Syri/Bilder: Jan Millenet