„Überall eine angespannte Situation“
Ob es einfach nur Zufall oder durchaus beabsichtigt war, dass der Tagesordnungspunkt vier bei der jüngsten Bezirksbeiratssitzung zu vorgerückter Stunde zur Sprache kam? Denn das Thema war eigentlich sehr brisant und sorgte in der Vergangenheit für viel Gesprächsstoff im Stadtteil: Die Tunnelstraße – auch oder besser bekannt als „Suez-Kanal“ – soll ab 2021 wieder für mindestens zwei Jahre gesperrt werden. Zuvor waren die Themen aber nicht weniger brisant und sorgten für viel Diskussion, so dass die Aufmerksamkeit der Anwesenden bei Punkt vier schon ein wenig strapaziert schien.
Doch der Reihe nach: In Punkt eins der Tagesordnung ging es zunächst um die Kinderbetreuung im Stadtteil, wozu Andrew Ballantyne vom Jugendamt die Seite der Verwaltung an diesem Abend vertrat. Und er konnte einem schon fast ein wenig leid tun, denn das Thema strapaziert schon länger die Nerven vieler junger Eltern – und die Nachrichten, die er überbringen sollte, machten nicht unbedingt Mut. „Wir haben, das geben wir zu, in Sachen Kinderbetreuung eine sehr angespannte Situation“, so Ballantyne, „nicht nur hier im Lindenhof, sondern in ganz Mannheim“. Im Lindenhof sei auf dem Gelände Ecke Landteilstraße/Waldparkstraße zumindest ein Kindergarten geplant, doch auch hier gibt es einige Perspektiven zu beachten. „Zum einen das Jugendamt und die Elternschaft, die wollen, dass rasch gehandelt wird, zum anderen gibt es Auflagen des KVJS (Kommunalverband für Jugend und Soziales), die eingehalten werden müssen. Und dann gibt es natürlich noch die Anwohner, die ihre Interessen vertreten und ihr Gebäude schützen wollen“. All diese Interessen unter einen Hut zu bringen, erschwere natürlich den Prozess Betreuungsplätze zu schaffen. „Ich kann Ihnen leider heute nicht alle Fragen befriedigend beantworten, aber versichern, dass die Fachverwaltung mit Hochdruck daran arbeitet“. Mit dem geplanten Ausbau werden zehn neue Krippen- und 140 neue Kindergartenplätze geschaffen. Die möglichen Standorte Pfalzplatzbunker und die Fläche angrenzend an die Belchenstraße wurden vom Gemeinderat auch geprüft, aber als Priorität zwei und drei eingestuft. „Ich gebe Ihnen recht“, so Ballantyne, „jedes Kind, das nicht im erforderlichen Umfang betreut wird, ist ein Kind zuviel“. Ein Schritt zum Positiven soll hierbei sein, dass das Jugendamt eine Vorlage erstellen will, welche die Bedürfnisse für Kinderbetreuungsplätze bis ins Jahr 2038 darstellt.
Sehr schockiert zeigten sich in der anschließenden Diskussion die anwesenden Stadt- und Bezirksbeiräte. Peter Karbstein (Grüne) fand das alles „sehr unbefriedigend, ich wünschte mir mehr Substantielles, weniger Absichtserklärungen“. Stadträtin Prof. Dr. Heidrun Kämper (SPD) sieht hier schon einen „längeren Prozess, das ist jedoch kein Trost für die Eltern“. Sie habe jedoch die letzten Bauvorhaben im Glückstein-Quartier im Blick und versuche „hier noch etwas in Sachen Kinderbetreuung hinzubekommen“.
Stadträtin Dr. Adelheid Weis (CDU) sprach sich dafür aus, freie Träger besser finanziell zu unterstützen und so Anreize zu schaffen. Stadtrat Wolfgang Taubert (MfM) hingegen gab zu bedenken, dass man sich bei all den neuen Plätzen auch rechtzeitig um geeignetes Personal kümmern müsse. „Es wird immer schwieriger – auch im Bereich Pädagogik, qualifizierte Kräfte zu finden“. Beirat Wolf Engelen (FDP) merkte schließlich noch an, dass mehr Kindergartenplätze auch mehr Verkehr bedeuten, wenn Eltern ihre Kleinen bringen und abholen. „Die dort zu Verfügung stehenden Parkplätze sind fast lückenlos belegt“. Deshalb sollte bei den Planungen auch an Parkplätze auf der Grünfläche gedacht werden.
Als dann die anwesenden Bürger zu Wort kamen, meldeten sich viele Mitglieder der neu gegründeten Elterninitiative zu Wort. Ein Sprecher fragte nach konkreten Zahlen: „Wie viele Plätze wurden im Lindenhof 2018 geschaffen – und wieviele werden konkret in 2019 geschaffen?“ Den Pfalzplatz sah er als „Möglichkeit mit Containern eine schnelle Entlastung zu schaffen“. Zum Abschluss gab er noch zu bedenken, dass „Betreuungsplätze bei freien Trägern für die Eltern eine Investition von 600 bis 1200 Euro monatlich bedeutet“. Deshalb sein Appell: „Bitte nicht nur Plätze, sondern auch bezahlbare Plätze schaffen, die man sich als Normalverdiener leisten kann“.
Ebenfalls zu Wort kam auch eine Anwohnerin der Landteilstraße, die Bedenken gegenüber einer Errichtung eines Kindergartens an der geplanten Stelle hat. „Hier wird eine Frischluftschneise vom Rhein her verbaut. Zudem ist der Verkehr jetzt schon sehr hoch mit Paketlieferanten und mehr. Deshalb schließe ich mich den Worten des Herrn Engelen an – das sollten nicht die Anwohner lösen“. Nur weil im Glückstein-Quartier ein Kindergarten vergessen wurde, kann man nicht einfach diese Probleme an eine andere Stelle verlagern.
In den Punkten zwei und drei der Tagesordnung ging es schließlich mehr oder weniger um dasselbe Areal, nämlich den Lindenhofplatz und das geplante Zugangsgebäude zum Bahnhof. Jörg Michel von den Pola Landschaftsarchitekten stellte zunächst den Platz vor, der für ihn „mehr als ein Platz, sondern eher ein wichtiges Gelenk“ sei. „Hier wird eine Vielzahl von Bewegung erwartet“, mit den Planungen sei man an dieser Stelle „gut aufgestellt“. Der Platz wird praktisch wie eine Fußgängerzone geplant, mit einem „Kiss and ride“-Bereich zum Zu- und Aussteigen, Gastronomie und einem Wasserspiel, an dem auch Kinder spielen könnten. Zudem sollen eine angemessene Beleuchtung und Baumscheiben für eine wohlige Atmosphäre sorgen. Die Fertigstellung des Projekts ist für 2021 vorgesehen.
Vor allem die Pläne zum Wasserspiel kamen bei den Bezirksbeiräten gut an, „bitte realisieren Sie das unbedingt“, so Wolf Engelen, „an der Feuerwache in der Innenstadt haben wir ja auch so etwas, das kommt dort sehr gut an und sorgt für Belebung“. Die Pläne wurden dann einstimmig beschlossen.
Angelika Schmitt vom Fachbereich Stadtplanung stellte im Anschluss das Zugangsgebäude vor, das dreistöckig geplant ist. Im Gebäude soll in der mittleren Etage auch Platz für ein Gewerbe sein (Kiosk oder Bäcker), auf der obersten Etage wird den Bürgern ein Fahrradparkhaus zur Verfügung stehen. „Eine Zählung 2016 hat ergeben, dass hier ein Bedarf von etwa 300 Stellplätzen ist. Der wird so größtenteils abgedeckt“, so Schmitt. Die Mannheimer Parkhausbetriebe werden das Parkhaus betreiben, die Preise stehen auch schon fest: zwischen einem Euro am Tag und 60 Euro für das ganze Jahr sollten dann Radfahrer aufbringen.
Unter Punkt vier dann noch die eingangs schon erwähnte Hiobsbotschaft: Menes Khalil-Meisler und Lars Leifert von der DB Netz AG berichteten detailliert über die Sanierungsmaßnahmen in der Tunnelstraße. Die Arbeiten sollen 2020 beginnen, der Tunnel allerdings erst ab November 2022 für den Autoverkehr sowie Radfahrer und Fußgänger geschlossen werden. Die Sperrung wird dann für zwei Jahre anhalten, im September 2024 soll der „Suez-Kanal“ dann wieder für den gesamten Verkehr freigegeben werden. „Wir versuchen die Sperrung schon so gering wie möglich zu halten, doch in dem Tunnel arbeiten wir praktisch am offenen Herzen“, so Khalil-Meisler. Denn der Verkehr auf den darüber liegenden neun Gleisen und fünf Bahnsteigen soll wie gewohnt weiter gehen.
Wohl auf Grund der vorgerückten Stunde gab es hier wenig Meldungen von den Räten und aus dem Publikum, Dr. Michael Kost (FW) gab allerdings zu bedenken, dass die Stadt ja auch noch einen Teil des Tunnels turnusgerecht sanieren müsse, „wann soll das denn geschehen?“ Der Abschnitt hätte es laut Bahn-Mitarbeiter „in der Tat noch nötiger als unser Teil“, wann dies passieren soll, wussten sie aber nicht. Hier, so die Bitte von Kost, soll doch vielleicht gemeinsam geplant werden, so dass nicht wieder eine Sperrung nach der anstehenden Sperrung der Bahn anstehe. Dazu müsse das aber schon sehr bald in die Haushaltsplanungen aufgenommen werden. Alexander Syri