Abgesang auf die Wegwerfkultur

So etwas hat man im Müllheizkraftwerk noch nicht gesehen: Ein klassischer Chor steht in schwarzen Kostümen an der Rampe und singt in sakralem Ton das Hohelied der Shopping-Queens. Zum Tag der offenen Tür der GML Abfallwirtschaftsgesellschaft hat sich der Mannheimer Verein Industrietempel mit Unterstützung von Dr. Klaus Kufeld vom Ernst-Bloch-Zentrum etwas Besonderes einfallen lassen: Eine Videoinstallation zum Thema Konsum und Müllvermeidung mit eigens dafür komponierten Liedern, vorgetragen vom Anglistenchor Heidelberg.
Gezeigt werden neu arrangierte Internetschnipsel, die hemmungslosen Konsum zeigen – Menschenmassen beim Hot-Dog-Wettessen oder bei der Erstürmung eines neuen Elektrofachmarkts, aber auch erschöpfte Gesichter nach Einkaufsorgien. Dazu predigen bekannte Politiker unentwegt von Wachstum als Motor unserer Wirtschaft. Sie sind die „Apologeten des Wachstums“, so der Titel des Kunstprojekts, die Verteidiger und Verfechter der reinen Lehre.
Der satirische Abgesang auf unsere Konsumgesellschaft und Wegwerfkultur soll „Spaß machen, aufrütteln und zur Abfallvermeidung anregen“, erklärt GML-Geschäftsführer Thomas Grommes auf Anfrage. Immerhin habe man auch einen Bildungsauftrag.

Doppelter Grund zum Feiern

Ob die Botschaft bei jedem so ankam, sei dahingestellt: „Nicht alles, was man kauft, soll man direkt wegschmeißen“, hat etwa Lando (12) verstanden. „Und man soll weniger kaufen“, schießt seine Schwester Alicia (11) schnell nach. Die Patchwork-Familie aus Mannheim und Darmstadt hat wie viele andere auch an einer Führung durch das Müllheizkraftwerk teilgenommen.
„Es war heiß und hat gestunken“, beschreibt Alicia ihre Eindrücke. Aber es hat Spaß gemacht, denn sie durfte in der Krankabine Platz nehmen und den Joystick des Greifers bedienen. Viel Fingerspitzengefühl braucht es, um damit den Verbrennungskessel zu füttern. Greift man zu viel, ertönt eine Hupe. „Gar nicht so leicht“, meint sie. „Aber die Aussicht ist toll.“ Eine Panzerglasscheibe erlaubt den Blick senkrecht nach unten – in den Müllbunker. Geboten wird zudem eine Fotoausstellung, Infostände zur Abfallvermeidung sowie ein Kinderprogramm.
Gefeiert wird aus einem doppelten Anlass: 50 Jahre alt sind das Müllheizkraftwerk der GML sowie das benachbarte Fernheizkraftwerk der Technischen Werke Ludwigshafen (TWL). In den drei Kesseln des Müllheizkraftwerks wird der Abfall von einer Million Einwohnern in der Region verbrannt. Und damit das auch in den nächsten 50 Jahren reibungslos klappt, plant die GML die Modernisierung des Müllheizkraftwerks. Dabei sollen zwei alte Kessel durch neue ersetzt und der dritte saniert werden, erläutert Thomas Grommes. Das Großprojekt ist auf fünf Jahre angelegt, die Kosten sind erst nach der Ausschreibung genau zu beziffern. Die soll Anfang 2018 erfolgen, Baubeginn könnte dann im Spätsommer sein.

Zusätzliche Aufführung am 25. November

GML und der Verein Industrietempel wollen sich mit dem Projekt „Die Apologeten des Wachstums“ gemeinsam um den Preis für die beste Aktion zur Abfallvermeidung bewerben. Deshalb wird das Projekt noch einmal im Rahmen der „Europäischen Woche der Abfallvermeidung“ vom 18. bis 26. November vorgestellt. Die Videos und der Live-Auftritt des Anglistenchors Heidelberg werden wegen der guten Nachfrage nochmals zu sehen sein. Dazu wird es am Samstag, 25. November, um 11 Uhr und um 12 Uhr jeweils eine zusätzliche Führung geben. Danach besteht die Möglichkeit zur Diskussion. hbg
i Kontakt und weitere Info unter www.wochederabfallvermeidung.de/home sowie www.gml-ludwigshafen.de